Ohne Frühstück ging es nach dem Zeltabbau weiter. Heute sollte es abschließend
noch mal richtig lang werden.
Das Tempomachen zum Vorankommen gestaltete sich schwierig.
Ein Jeder konnte sich nur langsam in Fahrt bringen. Und
schätzungsweise hatten wir bis auf die versteckten Höhenmeter, die aus der Karte
nicht oder nur versteckt ersichtlich sind, wenig Steigung zu bewältigen. Mit
anderen Worten, für uns Alpengelittenen keine wohlklingende Herausforderung.
Es wurden um die 190 km gefahren. Mit Ausnahmen, auf die noch eingegangen werden
soll, waren diese nur leicht wellig. Dies stellte auch schon eine neue
Herausforderung an sich dar. Die Kraft oder die allumfassende Zähigkeit war
nicht vorhanden. Mein Körper hatte sich auf Steigung eingestellt; die
Herzfrequenz in der Nähe des roten Bereiches, die Muskeln im Wiegetritt mit dem
eigenen Körpergewicht und der Steigung belastet.
Jetzt galt es gegen den Wind zu fahren und eine kontinuierliche Reisegeschwindigkeit zu erreichen. Unter den
genannten Vorraussetzungen nicht einfach. Erschwerend kommt ein Defekt hinzu,
genau in der Phase, als das allgemeine Schwungrad in Gang kommen sollte. Die
Brennerstrasse konnten wir bis auf ein kleines Stück meiden. Nach einer Stunde
fahrt nahmen wir unser Frühstück zu uns. Das bestand aus belegten Brötchen und
feistem Kaltgetränk. Wir befanden uns abseits der großen Strassen in einem
kleinen Dorf über einem Tal. Dies muß in der Nähe um Cavalese gelegen sein. Die
sich anschließenden kleinen Ortschaften waren alle sehr pittoresk und mit einem
erhabenen Blick über das sich anschließende Tal.
Hoch über dem Fluß T.Avisio
fuhren wir am Rand des Tales in Richtung Lavis und Mezzolombardo. "Das Leiden
auf der Ebene sollte vorläufig ein Ende haben". Es galt den Aufstieg nach Andalo
(1750m) in Angriff zu nehmen. Der Ausgangsort Mezzolombardo liegt 227m über 0.
Die nächsten 11km waren wir wieder im Bergelement.
Über Stenico, Balino und
Pranzo kämpften wir uns in Richtung Riva weiter. Den Lago schon in der Nase.
Drum störrte es auch nicht als wir von einem kurzen aber heftigen Sommerschauer
überrascht wurden. Laut singend fuhren wir an einer Gruppe "Weicheiradsportler"
vorbei, welche vor dem Regen Unterschlupf suchten; "Fahrradidioten - Gehirnpolizei, Fahrradidiotie -Niemand ist frei!". Kurz danach waren wir auch
schon wieder trocken. Einige Kilometer vor Riva wurden wir an einem kleinen
Anstieg von einer Gruppe Mountainbikern überholt. Wohlgemerkt auf der Strasse-
Allerhand. Das ging durch unser aller Köpfe. Timon muß darauf leicht negativ
gestimmt gewesen sein. Nicht das er fast aus dem Stehgreif diese unsere Etappe
mit gefahren ist und sich auch mal vorne im Wind gezeigt hat und auch die
Steigung nach Andalo nicht gerade langsam angegangen ist, nein er wollte noch
eins drauf setzen. So als ob es darum ging unsere Radsportkollegen auf den
weniger königlich anmutenden Rädern in die Schranken zu weisen. Was folgte war
eine bestimmt nicht angenehme Form der Körperrückmeldung- "So, bis hierhin und
nicht schneller weiter", Explosion. So ist Timon auf dieser einen Etappe in den
Genuß gleich mehrere radsportspezifischer Gefühlsintensitäten gekommen. Ich
möchte mich an dieser Stelle noch mal wieder holen: "Hut ab vor dieser
Leistung".
Der Herr Jabben und ich philosophierten über eine Redensart der
Samuraikämpfer. Sinngemäß geht es darum sein gegenüber oder vorneweg
einzuschätzen und einzuordnen. Ist er Dir unterlegen, stehe über ihm. Würdest Du
den kürzeren ziehen, verpiss Dich. Eine Auseinandersetzung bzw. ein Messen
sollte nur mit ebenbürtigen Gegnern geschehen.
Es war hügelig, wellig. Kurz vor dem Erreichen der Spitze griff ich an. Großes
Blatt und aufigehts. Das sie Anschluß halten konnten verdanken sie nur den die
Abfahrt nach Riva blockierenden Autos und ihrem Gepäck auf dem Buckel. Moralisch
waren sie sicher die Sieger, notfalls ist da einfach drüber gestanden. Lago di
Garda! Die Uferstrasse durch die Tunnel sind für einen Erstbefahrer der nicht
wirklich erwünschte Kick am Ende einer solchen Etappenfahrt.
Aber bald
schlängelten wir uns die Rampe nach Vesio hinauf. Quasi noch mal so zum Abschluß
ein paar Höhenmeter. Das wir ganz bis nach Vesio hinauf sind, weil die Autos mit
dem F auf dem Nummernschild nicht ausmachbar waren, gehörte irgendwie dazu. Egal
wie fertig, Nico wäre überall hoch gefahren. Er hat sein vorhaben konsequent
umgesetzt. Hat sich das "Ich kann überhaupt nicht mehr" vorenthalten, hat sich
die Kräfte gut eingeteilt und ist so zum Schluß als Beständigkeit verdient im
gepunkteten Trikot im Zielort eingefahren.
Autos aus der Mainmetropole waren nicht auszumachen. Da wurden wir uns unserer
Geschwindigkeit bewusst, "Ein Tag zu früh!".
Da unser Ferienhaus, ab dem morgigen Tag angemietet, unbewohnt war, campierten
wir auf der Terrasse. Schon so dicht an dem Ort der zukünftigen Feistigkeit,
nahmen wir davon Abstand auf einem Campingplatz unterzukommen.
Lago di Garda 2002
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