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Gambrinus a
fait la diagonale!
Was macht man, wenn der Peloppones
abgebrannt ist? Man plant einen Urlaub am Atlantik. Wie kommt man an den
Atlantik? Mit dem Fahrrad, ist doch klar. Was mir zuvor weniger klar war; mit
welchem Rad? Der Stadtpanzer muss das schaffen, ein anderes Rad steht mir nicht
zur Verfügung.
Robby meinte im Rahmen der Reiseplanung, dass man doch bis
Saarbrücken die Bahn nehmen sollte, was ich zunächst als entehrend betrachtete,
will man doch im Nachhinein sagen können: „Ja ja, von
Frankfurt bis Cap Ferret simmer gefahren! Ja ja!“ Aber wir einigten uns dann doch auf die Zugfahrt bis
an die Französische Grenze um die erste Nacht des Urlaubs in Frankreich zu
verbringen. Tag 1- 24. Aug. ’08 Um etwa halb acht, stehe ich am Frankfurter Hauptbahnhof, pünktlich,
entgegen meiner Gewohnheiten und warte auf Herrn Würker. Der kommt wenige
Minuten später und nach einem Kaffee auf dem Bahnsteig rollt unser Zug in
Richtung Westen. Wir freuen uns riesig auf das bevorstehende Abenteuer als
ich bemerke, dass ich keinen Tacho am Rad habe. „Kein Problem!“ meint Robby „Du kaufst einfach so `nen
Billigtacho in irgendeinem Supermarkt.“
„Ist doch Sonntag heut!?“ „Macht nix,“
erwidert Robby „in Frankreich haben die großen Märkte auch sonntags offen.“
Ein Problem haben wir aber noch zu lösen: Nahrung!
Bis gegen zwei Uhr Mittags fahren wir flott von Dorf zu
Dorf, in der Hoffnung Futter zu ergattern. Nix. Kein Supermarkt, kein
Krämerladen, nicht mal ein Kiosk ist offen. Ich beschließe, sobald ich einen
Menschen sehe, diesen nach Essen zu fragen. Sind aber keine Menschen unterwegs
in den durch die wir fahren.
Um etwa drei Uhr ist der Hunger so schlimm, dass ich an
einem Acker stehen bleibe um äpfel zu klauen. „Da hängt aber keiner über den
Zaun.“ wirft Robby ein, hat aber kurz danach zwei äpfel inhaliert und einen
dritten in der Trikottasche. Weiter geht’s. Das Tagesziel hat sich verlagert
von „Wir wollen heute noch… wo ankommen.“, auf „Wir müssen was essen bevor
einer umkippt!“ Es geht die ganze Zeit bergauf. Von etwa 120 Kilometern die wir
an diesem Tag machen sollten sind gut 90 gegen die Schwerkraft zu bewältigen.
Ohne Nahrung, und das leicht Wetter ändert
sich gegen Ende des Tages zu grau in grau. An einem Provinzflughafen im
Nirgendwo und einem Bahnhof in der Nähe von Nirgendwo hoffen wir auf Nahrung,
es gibt pro Kopf drei Kekse aus dem Automaten, der trotz Sonntag treu seinen
Dienst tut. In einem Städtchen kaufen wir bei einem Bäcker ein wenig Nahrung,
diese genügt jedoch gerade mal zum revitalisieren, nicht zum satt werden.
Mit knurrendem Magen dafür geduscht kriechen wir in die
Schlafsäcke. Die Tortour de France hat begonnen. Meine Füße riechen ein wenig
nach jungem Gouda. 124km; 21,2km/h;
5h 52min Tag 2 - 25. Aug. '08 Da der Zeltplatz nur aus Bäumen und Wohnwagen besteht bekommen
wir auch hier nichts zu essen. Wir wissen beide, heute geht es um alles. Wir
brauchen Nahrung, Kaffee und das Gefühl von Energie für weitere tausend
Kilometer. Wir sprechen aber nicht darüber, sondern hoffen, dass heute am Montag irgendwelche Nahrungsmittel unseren Weg kreuzen. Einige Kilometer nach
dem Start der Etappe rollen wir in eine Kleinstadt ein. Es ist marché!!! Es gibt Huhn, gegrillt! Zum Frühstück je ein
halber Hahn und dann zum “Café du marché“ auf einen
Kaffee! Jetzt geht’s also richtig los. Ohne Hunger, nach warmer Nahrung und
nach je zwei super Kaffees fallen wir an der Stadtgrenze in einen Supermarché ein und kommen mit Baguettes,
Wurst, Käse und Getränken heraus. Robby konnte nicht widerstehen seine liebste
Paste mit zu nehmen, Entenpaste für teuer Geld, aber
unbeschreiblich lecker! Die stetige Bergauffahrt des Vortages hat nun gewechselt.
Wir fahren in Wellen, zu gleichen Teilen bergauf, bergab. Den ganzen Tag. Wir passieren höchst abenteuerlich eine Autobahn um dann auf
der anderen Seite einige Meter auf dem Standstreifen zu gehen und uns auf der
nächsten Abfahrt wieder auf die Räder zu wagen. Autobahn sind wir also auch
gefahren! Sobald wir die Schnellstrasse hinter uns gelassen haben und in ein
nettes Waldstück einfahren, beginnt es ganz leicht zu nieseln. Robby voran, ich
hinterher fahren wir durch eine gottverlassene Gegend, biegen in einer weiten
Linkskurve in ein Tal ein und plötzlich Zivilisation! Robby hat so wenig damit
gerechnet, dass hier irgendetwas sein könnte, dass er beinahe einen Hahn und
drei Hennen überrollt hätte die gerade die Strasse überquerten. Wir sind in “Vaux la grande“. Zwei Bauernhöfe
und eine Kirche. Wozu die ein Rathaus benötigen ist mir unklar, aber sie haben
eines. Ich komme aus dem Lachen nicht mehr raus. Nach einem anderen Dörfchen fragt Robby ob ich denn die zwei
prachtvollen Einser gesehen hätte. Hab ich nicht. War zu beschäftigt mit der
Bewältigung der ständig aufs neue erscheinenden Hügel.
Einige Kilometer später erfasst meine Nase den süßen Geruch von Cannabis. Robby
hat davon nichts mitbekommen. War zu beschäftigt mit seiner Vollgasfahrt den
Hügel runter, an dem das etwa zwei Hektar große Hanffeld lag. Am Abend gegen sieben beginnen wir uns zu fragen, wo denn
nun der Zeltplatz liegen mag, den wir auf der Landkarte sehen, den aber keiner
in der Gegend zu kennen scheint. Wir fragen jeden der uns begegnet ob es in der
Nähe irgendeinen Zeltplatz gibt, bekommen nur Kopfschütteln und von
Streifenpolizisten ein müdes Lächeln geschenkt. In einem Supermarkt, den wir kurz vor Ladenschluss um acht
noch schnell betreten, werden wir aufgeklärt, dass der Ort bei dem der
Campingplatz sein soll zwar in der Nähe ist, aber der Campingplatz wohl nicht
mehr existiert. „Schauen wir mal, dann sehen wir auch...“ ist unsere Antwort
und wir starten in die angesagte Richtung. Nach einer weiteren Stunde der erfolglosen Suche und immer
kälter werdender Arme und Beine, beschließen wir das Risiko einzugehen auf
einem Feld zu nächtigen. Das Zelt ist sehr schnell aufgebaut, die Räder liegen wie
erschossen davor und wir liegen drin. Robby hat seine Socken weggeschmissen,
sie stinken. Hätten wir nicht zwei Baguettes und
Wurst, Käse sowie Robbys Luxusentenpaste, wir wären sicher irgendwo eingefallen
und hätten was geplündert. So hatten wir immerhin gute Nahrung und Bier. Die
Nacht war der pure Horror, aber wir waren satt. Edel geht die Welt zugrunde!
Meine Füße riechen nach gereiftem Gouda. 149km; 20,6km/h;
7h 13min Tag 3 – 26. Aug. ’08 Wir erwachen. Das ist schon mal mehr als ich am Vorabend
erwartet hätte. Ich glaubte fest daran, dass uns der Bauer mit einer
Schrotflinte aus dem Zelt jagt und ins Dorf führt, wo wir dann unter dem Jubel
der Dorfbewohner, Standrechtlich hingerichtet würden. Aber es sollte nicht so
kommen. Wir nehmen unser Frühstück, die Reste der Baguettes
vom Vorabend an einem wunderschönen Patz zu uns, schauen dabei auf ein
Flüsschen und pöfen. Der Umstand, dass der Nebel als
wir erwachten noch tiefer lag als der Punkt an dem unser Zelt stand war wie
vergessen, als kurz nach der Abfahrt vom Frühstück die Sonne jegliche
Nebelschwaden vertreibt und der Himmel langsam von grau in blau wechselt. Das
Wetter ist zum ersten Mal schön und wir haben auch das Gefühl, heute mehr abwärtig denn aufwärts zu fahren. Die Schlussfolgerung: die Champagne ist ein riesengroßes Hochplateau, das wir gerade
verlassen. Mit jedem Kilometer werden das Wetter und die Laune besser,
bis bei voller Fahrt einer meiner Schalthebel abfällt. Einfach, bumm auf die Strasse. Ich sammle alles was ich finden kann
auf und versuche Robby zu erreichen, der zuvor etwa dreißig Meter vor mir war
und nun nicht mehr zu sehen ist. Zum Glück steht er nach ein paar hundert Metern da und wartet. Die folgende viertel Stunde beißen sich ein studierter und
ein gelernter Feinmechaniker die Zähne am Zusammenbau einer Gangschaltung aus,
bis einer auf die Idee kommt: Linksgewinde? Nach weiteren dreißig Sekunden ist alles festgeschraubt und
die tour kann weitergehen. Ab hier läuft alles wie am Schnürchen. Tolles Päuschen im Wald an Stabbrot, Schinken und Pöfchen und weiter geht’s Richtung Südwesten, Richtung
Loire! In Auxerre checken wir zum ersten
Mal an einem richtigen Zeltplatz ein. Wir fühlen uns nach einer heißen Dusche,
einer warmen und leckeren chilenischen Pampe, und ein paar Bier wie neu
geboren. Im Zelt wird bei “Element of Crime“ noch ein
wenig schwadroniert. Da wir aus dem Zelt aufs Velodrom blicken, wollen wir die
erste Nacht unter humanen Bedingungen langsam ausklingen lassen. Zudem habe ich
mich erinnert, dass ich Tiger-Balsam dabei habe. Das Zelt riecht nach ein paar
Minuten wie ein fernöstlicher Massagesalon, bloß die asiatischen Masseusen
fehlen. Famos! Danke Auxerre! Meine Füße riechen nach
Brie. 129km; 22,0km/h;
5h 52min
Tag 4 - 27. Aug. '08 Der Campingplatz in Auxerre ist
ein Jungbrunnen, obwohl es im Zelt inzwischen weniger nach Tiger-Balsam als nach Tiger-Käfig riecht. Leider haben wir einen Zeitplan
und müssen weiter. Wirklich ungern verlasse ich dieses kleine Paradies und
folge Herrn Würker in Richtung Loire. Da liegt noch eine kleine Hügelkette
zwischen uns und dem Fluss, welcher rasches Vorankommen verspricht! Es soll
einen Radweg geben, der den Fluss entlag führt. Ich
freue mich schon darauf und rechne mit mindestens hundertvierzig Kilometern die
wir Vollgas am Fluss fahren können als wir im “Val perdu“ einfahren. Erneut
Gelächter und Belustigung über französische Ortsnamen. Dann nach weiteren knapp 20 Kilometern und ein
paar wirklich netten Hügeln und Dörfern, die Loire. Wir sehen den Fluss als
eine Böschung links von uns plötzlich aufhört und dahinter das Gewässer
sichtbar wird. Ich fühle mich prächtig in Erwartung einer längeren Phase den
Fluss entlang. Na warte! Der erwartete Radweg erscheint kurz darauf vor uns und geht
ein paar Kilometer später in einen Feldweg über. „Wird sicher nur
übergangsweise sein.“ denke ich mir und versuche hinter Robby zu bleiben, der
trotz des immer schlechter werdenden Feldweges, versucht die angesetzten 25km/h
Durchschnitt zu halten und daher mit gut dreißig Sachen über die Buckelpiste
rast. Nachdem wir nun seit zwanzig Minuten probieren nicht umzufallen, ich
hinter Robby diversen fliegenden Objekten ausweichen muss welche sein Hinterrad
aufwirbelt, und seit bestimmt 25 Kilometern mein Musikabspielgerät den Geist
aufgegeben hat, raste ich endgültig aus. Anstatt auf brillantem Radweg
Kilometer zu schrubben, und das unerwartet tolle Wetter zu genießen, kämpfen
wir uns hier mit Müh und Not vorwärts und der Würker bricht sich beinahe alle
Knochen, als ihn ein Schlagloch aushebelt und er im 45°Winkel zum Boden fährt.
Er schafft es sich und das Vehikel abzufangen, nicht aber meine Ausraster zu
beseitigen und so fahren wir die nächsten Kilometer in für beide gesundem
Abstand. Als er mich persönlich beleidigt, mit dem Angebot ich solle doch die
nächste Bahn nach Cap Ferret nehmen, beschließe ich, dass er mich nun erst
recht ertragen muss und hafte mich wieder an sein Hinterrad. Bahn fahren, der
spinnt wohl! Unsere Laune bessert sich ein wenig, als wir dann doch
irgendwie und nach einigen unnötigen Schlenkern in Sully
sur Loire einfahren und einen schönen Zeltplatz an
der Loire vorfinden. Nach Erklärung meines Bedarfs an Musik beim Radfahren und
Robbys Erklärung seiner Sorge ich hätte eventuell keine Lust mehr und wolle
wirklich abbrechen sind die Wogen geglättet. Wir Essen ausgiebig das inzwischen
auf dieser Reise übliche Menü (Reste vom Tagesproviant, Baguette, Wurst, Käse,
Majo, Kekse). Auch das Programm im Zelt läuft sich langsam ein. Cetavlonbehandlung aufgeriebener Körperteile,
Tigerbalsambehandlung der Beine und Arme, Musik, Relaxat,
Planung des Folgetages, pennen. Meine Füße riechen nach Camenbert,
altem Camenbert. 130km; 22,8km/h;
5h 44min Tag 5 – 28.
Aug. ’08 Wir verlassen Sully sur Loire in Erwartung einer ereignislosen, flachen Etappe.
Eine solche wurde es dann auch. Wir fuhren hohes Tempo, machten die richtigen Pausen und hatten alles was wir brauchten. Bis hin zu
richtig krassem Sonnenschein. Das Wetter hat sich seit vorgestern sehr
gebessert und ich konnte am Vorabend mein Walkmanhandy reparieren, so dass heut
alles wieder passt. Am Mittag stelle ich hocherfreut fest, dass ich es in der
Sonne als unangenehm heiß empfinde und freue mich extrem darüber. Es führt
sogar so weit, dass ich am Nachmittag ein wenig Sonnencreme vom Herrn Würker
schnorre, weil die Arme langsam brennen. Fein, das ist Urlaub. Ganz ereignislos war die Etappe dann doch nicht. Wir hatten
wie auch die Tage zuvor und die folgenden Tage ein auch an diesem Tag
auftretendes Problem. Es gingen pro Tag mindestens 45min drauf, die wir an
Kreiseln und Kreuzungen verbrachten, im verzweifelten Versuch festzustellen in
welche Richtung wir fahren müssen. Robby hatte zwar eine sehr ordentliche Karte
dabei und wir haben allabendlich die nächste Etappe weitestgehend verinnerlicht
und Ortsnamen als Kontrollpunkte vorgemerkt und so weiter, aber genützt hat es
nichts. Die Beschilderung der französischen Landstrassen ist einfach dermaßen
schlecht, dass es fundierter Ortskenntnis bedarf um sich da halbwegs zurecht zu finden. Mehrere Minuten täglich standen wir also
auf der Strasse und gafften abwechselnd die Karte und die Schilder an und das
eine oder andere Mal holten wir auch die Kompasse raus, oder spielten Schnick-Schnack-Schnuck. Dennoch fanden wir Helden uns immer wieder auf dem rechten
Pfad und an diesem Abend fanden wir, auf der Île d’or in Amboise sur Loire, einen tollen Campingplatz. Allerdings so toll,
dass ab zehn Uhr Nachtruhe herrscht und man am Abreisetag um elf ausgecheckt
haben muss. ADAC halt … Im Zelt, das übliche Programm, nur dass das Zelt selber
inzwischen den Geruch des Tigerkäfigs übernommen hat und uns somit einen
weiteren Vorteil verschafft. Die Kombination der Ausdünstungen nach
Tigerbalsam, Rauchware, und dem französischen Käse in den Packtaschen, hält
jedes Viehzeugs fern, was uns am nächsten Abend von
Vorteil sein sollte. Wir schlafen früh heut Abend. Meine Füße riechen nach Chaumes. 140km; 25,0km/h;
5h 40min Tag 6 – 29.
Aug. ’08 Eine weitere flache und ruhig verlaufende Etappe. Eigentlich
unspektakulär, hätte nicht gleich nach dem Frühstück, die linke Stütze meines
Gepäckträgers aufgegeben. Mit der Hilfe eines Alten, der Weinkeller und
Radverleih in ein und demselben Keller betreibt, wurde eine Schraubschelle
darumgelegt wo der Schaden war und zur weiteren Befestigung ein paar
Kabelbinder hinzugefügt, die ich noch am Abend vor der Abfahrt, in Frankfurt
eingesteckt hatte. Mit einem schönen Rückenwind machen wir heute fast Ruhetag,
wenn auch auf dem Rad und mit knapp 120km Bewegung. Gegen Mittag beginnt Robby
über Schmerzen in der Ferse zu klagen und das Tempo wird gedrosselt um einem
Totalausfall vorzubeugen. Er fährt erstmal einbeinig weiter und… wir schauen
mal. Tolle Gegend, tolle Strassen, richtig schöne versteckte Schlösser und Ruinen stehen hier herum, in der
Ecke zwischen Poitiers und St. Cyr. Außer Robbys Ferse und dem permanenten Schilderchaos
geht die Etappe schnell vorbei. Es findet gegen Mittag der übliche Einkauf im Supermarché statt und wir treffen ohne besondere
Vorkommnisse am Campingplatz ein. Die uns zugewiesene Parzelle ist über und
über mit Laub bedeckt, was uns zunächst nicht stört und wir uns setzen um die
Karte zu studieren. Nachdem zehn Sekunden später gut ein Dutzend Minikakerlaken
die Karte begehen, beschließen wir ein Areal vom Blattwerk zu reinigen um
wenigstens um das Zelt herum keine Viecher zu haben. Hier sollte sich der
Geruch den unser Zelt inzwischen angenommen hat als hilfreich erweisen. Ich
habe weder diese noch irgendeine andere Nacht Krabbeltier im Zelt erwischt.
Fein, so ein Gestank! Am Abend Regeneration und Musik an Tigerbalsam und Rauch.
Meine Füße riechen nach vergammeltem Kühlschrank. 117km; 24,0km/h;
5h 00min Tag 7 – 30.
Aug. ’08 Sommer, Sonne, Sonnenschein! Hammerwetter und eine erneut
flache Etappe. Vollgas trotz kaputtem Gepäckträger und Robbys kaputter Ferse,
die am Mittag kurz völlig in Ordnung ist und kurz darauf wieder streikt.
Unerwartet beginnt das Streckenprofil am Ende des Tages wieder mit einem steten Auf und Ab. Hmm, hatten wir jetzt nicht so erwartet, aber hey, wir sind Helden, wir können das ab. Trotzig und wie
immer flott erreichen wir am frühen Abend St. Jean d’Angely
und finden einen Campingplatz voller Engländer vor. Als wir ankommen sitzen sie
alle vor ihren jeweiligen Wohnwagen und schauen BBC, per Satellit. Da wir uns bisher nur von Brot, Schinken, Käse und Keksen
ernährt haben, überkommt mich beim einchecken die Frage, ob man uns ein gutes
Restaurant empfehlen könne. Konnte man und wir erfahren von einem guten
Fischrestaurant. Als ich von der Dusche komme sitzen die Engländer immer noch vor ihren Wohnwagen und schauen BBC. Wir gehen quer durch den kleinen Ort, Robby hinkt eher, als
dass er geht, wie so ein alter Pirat, was mich auf den Soundtrack dieser tour
bringt. Zwei Stücke werde ich ewig mit der Durchquerung Frankreichs in
Verbindung bringen, obwohl ich zwei Gigabyte an Musik dabei hatte. “Dragostea din tei“
von der Rumänischen Combo “O-Zone“ und “He’s a pirate!“ das Dauerthema der “Pirates
of the Carribean“ Filme.
Ja, ja, ganz knusper sind wir doch alle nicht. Wir speisen grandios an diesem Abend, Ich habe moules-frites, der Robby ein halbes Pfund Tatare und zum
Nachtisch gibt’s crème brulée und mousse
au chocolat, alles an einem grandiosen muscadet! Als wir pappsatt auf den Campingplatz wanken,
sitzen die Engländer noch immer vor ihren Fernsehern und schauen BBC. Im Zelt das übliche. Tigerbalsam, Cetavlon, Rauchen mit
Musik, Zähne putzen, pennen. Bis zu dem Moment als das Zelt samt zweier Gambrini, beinahe gestartet wäre, um in Berlin wieder zu
landen. Um eins ging ein derartiger Sturm los, dass wir beide wach wurden, ich
noch mal hinaus ging um meine zum trocknen aufgehängte Wäsche vor dem
davonfliegen zu bewahren, und die meisten Heringe noch mal in den Boden stach.
Der Robby meinte, wenn schon mal Wetter ist und man im trockenen Zelt sitzt,
muss man das auch genießen, daher wurden wieder Zigaretten gedreht und rauchend
das Unwetter betrachtet. Meine Füße riechen nach faulen Eiern. 137km; 25,5km/h;
5h 33min Tag 8 - 31. Aug. ’08
Am Morgen, nach dem Sturm kriechen wir aus dem Zelt und
finden ein paar Dutzend Engländer vor, die vor ihren Fernsehern sitzen und BBC gucken. Wir starten gen Atlantik,
den wir heute erreichen wollen. Das plötzliche Auf und Ab des Vorabends
entwickelt sich während der Etappe zum Dauerzustand und ich spüre gegen Mittag
argen Schmerz am Hintern. Gut zwanzig Kilometer vor dem Ozean sind die
Schmerzen nicht mehr zu ertragen und ich muss tatsächlich vom Sattel und mich
einen Moment hinstellen. Ein Alptraum entwickelt sich während der letzten
Kilometer zum Atlantik, da es immer hügeliger wird, und der den ganzen Tag wehende
Gegenwund immer stärker wird, bis wir dann unerwartet im Ort Royane einfahren, wo wir die Fähre nach Le Verdon sur mer
nehmen und über die Gironde
geschippert werden. Auf der Fähre gönne ich meinem Hintern eine ausgiebige Cetavlonbehandlung und mir selber ein Dosenbier. Die
überfahrt ist viel zu kurz und wir gehen nach etwa dreißig Minuten von Bord.
Als erstes wird eine Kneipe, die erste die wir sehen aufgesucht und es wird
Bier getrunken, viel davon. Uns trennen nur noch 120km von unserem Ziel, auf Teufel
komm raus könnte man sogar heut schon da sein, aber wir wollen doch ein
gemütliche Abschlussetappe und mein Hintern tut weh, außerdem ist inzwischen
auch die rechte Stütze meines Gepäckträgers gebrochen und wird durch weitere
Kabelbinder gehalten, also kehren wir nach zwanzig Kilometern auf einem
Campingplatz ein. Robby wird beim einchecken nach seinem Beruf gefragt, dreht
sich zu mir und meint: „Sag mal, weißt Du wie Ingenieur auf französisch heißt?“
Mit viel zu süßen Getränken, die wir an der Reception
kaufen gehen wir zu unserem Zeltplatz, und beschließen erneut ein Restaurant
aufzusuchen um gut zu speisen. Nach einer Runde einmal rund ums Dorf finden wir
ein super Restaurant ganz in der Nähe des Zeltplatzes und speisen dort erneut
prima, diesmal sogar zu richtig guter Musik, und mit richtig netter Belegschaft
die sich sogar über unser gutes Französisch wundert und uns für Quebecien oder Belgier hält. Nach opulentem Mahl gehen wir
in den Tigerkäfig und freuen uns auf die morgige, gemütliche und flache
Schlussetappe. Ich erinnere mich an die Peloponnes-Runden als ich bemerke, dass
meine Füße nach Verwesung riechen. 100km; 22,5km/h;
4h 27min Tag
9 – 01. Sep. ’08 Heute werden wir ankommen. Ob auf dem Rad oder gehend, aber
heute werden wir ankommen. Das steht fest und ist gleich am Morgen zu merken.
Zwar sprachen wir immer wieder auf der Fahrt vom ruhigen Einfahren am Morgen,
dass die Muskeln erstmal warm werden und so Kram, aber das ist heute alles passé! Belgischer Zirkel von Anfang an. Fünfzehn
Minuten der eine, fünfzehn Minuten der andere. Immer weiter und schneller. Bei
der Kaffeepause nach eineinhalb Stunden merken wir, dass wir schon deutlich
über ein Drittel der heutigen, letzten Etappe hinter uns haben, und beschließen
einfach mehr Pausen zu machen, nicht langsamer zu fahren, nein, mehr Pausen… Immerhin sind wir schon auf der Landzunge und haben zudem
eine Tradition zu wahren. Der letzte Tag hat begossen zu werden und da wir zu
schnell sind besteht Gefahr, dass wir nüchtern am Ziel ankommen. Also, halten
wir bei diversen Gelegenheiten um Bier zu tanken, viel davon. Von Pause zu
Pause wird die Laune immer besser, die Kilometer weniger und die Legitimation
sich völlig abzuschießen ist am Ende greifbar und nimmt die Form mehrerer
Kronenburg Flaschen an. Sind aber auch tückisch die kleinen Dinger. Kaum
angesetzt, schon leer. Etwa vierzig Kilometer vor dem Ziel spüre ich ein knacken,
das durch mein ganzes Fahrrad zieht und frage Robby ob er was sehen kann, das
nicht OK ist. Er verneint, also weiter Vollgas. Bei einer Pause einige Minuten später entdecke ich eine
gebrochene Speiche. Die kann mir jetzt auch nichts mehr! Zur Not schiebe ich
das Rad die letzten vierzig Kilometer, ist mir doch Latte! Nach der Pause, in
der ich beinahe einen Stapel Baumstämme ins Rollen gebracht hätte, geht erstmal
für dreißig Kilometer alles gut, bis wir Hunger haben, beide, plötzlich und
akut zu stillen! Wir sind inzwischen in le Canon und entdecken eine Snack-Bar.
Ein paar Sandwichs leisten Abhilfe, werden mit Bier runtergespült, dann geht’s
schneller und weiter rasen wir in Richtung Cap Ferret, als wenige Kilometer vor
dem Ziel eine nach der anderen drei weitere Speichen meines Hinterrades, den
Geist aufgeben. Ey, nicht mit Onkel Timon, und nicht
in dem Ton! Ich mache das hier zu Ende und wenn ich das Rad nach Cap Ferret
tragen muss. Das Hinterrad sieht aus wie vom Laster überrollt und aus dem
Flugzeug geworfen, aber es schleift nur minimal an der längst ausgehängten
Bremse. Also, weiter! Nach neun Tagen kommen wir in Cap Ferret an. Wir sind erneut
die derbsten und die geilsten und nach einem Sprung in den Atlantik zum
Sonnenuntergang gibt es bei Würkers Entrecôte vom Grill! Immerhin, wir kommen vor Skepeneits an, die mit dem Auto anreisen! Traverser la France – mit allem! Meine Füße sind angekommen.
Der Stadtpanzer ist tot. 102km; 27,5km/h;
3h 42min 1130 km 23,1km/h 49h 3min | |||||||||||||||||||||
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